Katrin Arrieta
Rede zur Eröffnung der Ausstellung Miro Zahra/Udo Rathke im Schleswig-Holstein-Haus Schwerin am 5.6.2014
(Auszug)

"... Udo Rathke ist seit einem einjährigen Romstipendium in der Villa Massimo vor 20 Jahren und ausgehend vom Erlebnis der Landschaft um die Ewige Stadt, die er auch später noch aufsuchte, mit der Frage beschäftigt, wie eine derart von Geschichte geprägte und gesättigte Landschaft sich über ihre Atmosphäre mitzuteilen vermag, wie solche in der Substanz der Landschaft gleichsam aufgehobenen und überlieferten, mehr fluidalen als formalen Spuren aufgenommen und reflektiert werden können. Weitläufig angeregt von den offenen Formen barocker Landschaftskunst mit ihren eindrucksvollen Wolkenhimmeln hat er zunächst mit aktionistischer, am stofflichen Ergebnis orientierter Malerei geantwortet, bevor er Jahre später, einsam in ein Häuschen im römischen Umland zurückgezogen, sich in einem weiter getriebenen Selbstversuch und zeitweise zu den sprachlichen Klängen der Inferno-Dichtung Dantes im Angesicht der Landschaft nunmehr dezidiert zeichnerisch erging, jegliche Kontur meidend, stattdessen mit den Zeichenstiften die Bewegungen vollführend, die der Rhythmus des Textes im Verein mit dem realen Anblick in ihm ausgelöst hat.
Diese zeichnerische Methode, von Rathke weiter ausgebaut, zielt auf nichts Fertiges, sondern hat notathaften, fast spielerischen Charakter. Sie entfaltet sich in der Wiederholung, der Reproduktion und verlangt nach Fortschreibung über das einzelne Blatt hinaus. In der Serie enthüllt sich aber auch der dabei eintretende Wandel, die Variation des Tenors, sodass in der Zusammenschau vieler solcher Blätter eine übergreifende Chiffre entsteht, deren Botschaft durchaus als die einer nicht mehr topografisch, sondern mental bezogenen „Landkarte“ umschrieben werden kann.
Von der grafischen Seite hat Udo Rathke solche Landschaftsumschreibung aus einer noch mehr narrativen Haltung heraus in der Radierung vorbereitet: Die hier gezeigten großformatigen Blätter atmen ein wenig vom dramatischen Geist der berühmten „Carceri“ des italienischen Vedutenradierers Piranesi. Davon hat sich Rathke heute gelöst. Nicht das Drama interessiert ihn, sondern etwas weniger Bedeutungsschweres, Einfacheres: eine Empfindungsbotschaft aus Kontinuität und grundsätzlichem Widerspruch. Dieser Letztere vermittelt sich in seinen Arbeiten über die Farbe: Über das Rot als Farbe von Feuer und Blut, Symbolfarbe des Lebens, und über das Blau als Farbe des Himmels und Symbolfarbe des Geistes. Das sind auch die Farben, in die die christliche Kunst die Jungfrau Maria und Gottesmutter kleidet: Farben also für den Weltzusammenhang. In Udo Rathkes aktueller Malerei sind diese Farben entkörperlicht, wie auch der Strich der Zeichnung ohne Körper bleibt.
..."